Nachtrag nach dem Durchqueren von Syrien
Von der Tuerkei nach Syrien, das ist noch mehr Vorderer Orient: arabische Buchstaben und Zahlen und eine neue Sprache, helle Kalksteinbauten wie Schachteln, Wuesten- und Felslandschaften und ein unglaublich vielseitiges kulturelles Erbe.
Davon koennen wir in den ersten beiden Tagen in Aleppo Kostproben nehmen: wir besuchen die monumentale Zitadelle von Aleppo und machen einen Ausflug zu den eindrucksvollen Resten der Basilika von St. Simeon, dem Stylisten (Saeulensteher) inmitten einer bizarren Wuestenlandschaft aus lauter Steinbrocken. Und mit netten Menschen der syrischen GCL haben wir einen kulinarisch und auch sonst angeregten Abend verbracht.
Doch der Einstieg in den Pilgerweg in Syrien gestaltet sich sehr ernuechternd: um der Autobahn noch ein wenig zu entgehen, waehlen wir eine kleine Strasse aus der Stadt. Nach ca 12 Kilometern: ein Auto mit vier Maennern: Kontrolle der Ausweise durch die Zivilpolizei. Als sie uns dann auffordern, ins Auto zu steigen und nach Aleppo mitzufahren, weigern wir uns, weil wir gar nicht wissen, ob wir an "richtige" Polizisten geraten sind. Schliesslich versuchen sie unsere Paesse abzuschreiben (das ist, wie wenn ich einen arabischen Pass abschreiben muesste) und verabschieden sich dann endlich mit einem " Welcome to Syria". Spaeter auf der Autobahn erleben wir zwei weitere Kontrollen. Voellig verunsichert und entnervt fahren wir an diesem Tag nach Aleppo zu den Jesuiten zurueck und ueberlegen dort, wie unser Pilgerweg in Syrien ueberhaupt gehen kann.
Wir entscheiden, unseren Weg mit kleinen Modifikationen trotzdem fortzusetzen in Richtung Homs, besser gesagt: auf dem Highway Richtung Homs (in Syrien darf man naemlich auf dem Seitenstreifen der Autobahn laufen) und teilen uns diesen Weg immer wieder mit Autos, Traktoren, Lastern, aber auch Schafherden und Wasser- und Teeverkaeufern. Und wir werden dabei beobachtet, manchmal mehr, manchmal weniger auffaellig.
Erst nachdem am dritten Tag zu schon nachtschlafener Zeit die Paesse im Hotel nochmals ueberprueft worden sind, stehen wir etwas weniger unter Beobachtung. Ein halber sehr sommerlicher Tag in Hamah unter vielen anderen Touristen bei den beruehmten grossen Norias, den Wasserraedern aus Holz, laesst uns diese Belastung der staendigen Beobachtung etwas vergessen, aber bereits am naechsten Tag kehrt unsere Verunsicherung zurueck: wer fragt uns was? Was sagen wir, wenn wir gefragt werden, wohin wir unterwegs sind? Unsere Gedanken und Gespraeche in dieser ersten Woche kreisen sehr um dieses Thema, so dass der eigentliche Weg auf dem Highway und manche Begegnungen am Wegrand in den Hintergrund treten.
Erst die Jesuiten in Homs, bei denen wir zwei Tage bleiben, koennen unsere Erfahrungen mit der Zivilpolizei relativieren und in ein anderes Licht ruecken. Unsere deutschen Vorstellungen von Freiheit greifen hier nicht – und es gibt nicht nur Schwarz oder weiss. Auch der Gottesdienst mit dem Tagesevangelium vom Seesturm, den wir an diesem Tag feiern, gibt mir Kraft, mich auf den zu besinnen, der uns auf diesen Weg gerufen hat. Und das "Fuerchte dich nicht" aus diesem Schrifttext macht Mut und laesst auch ein wenig Vorfreude auf unsere zweite Woche in Syrien, die "Klosterwoche" aufkommen.
Veröffentlicht: 01.05.2010 Brigitte Zecher