Wir sind am Ziel und fragen uns: was war jetzt?
Nun sind wir schon einige Tage in Jerusalem und im paepstlichen Bibelinstitut sehr freundlich aufgenommen und versorgt. Wir geniessen es, ein “normales” Leben fuehren zu duerfen: Das Essen, das Wohnen, die Gespraeche – alles vermittelt ein vertrautes Zuhause, wo wir uns fallen lassen koennen.
Wir sind am Ziel und fragen uns: was war jetzt? Irgendwie ist ein riesiges Stueck geschafft - aber wir auch. Physisch und auch psychisch haben die Wochen, die wir unterwegs waren doch einiges gekostet. Und auch Jerusalem ist ja nicht einfach. So stehe ich da und moechte gerne feiern und auch schreiben - aber es ist noch so viel in Kopf und Bauch, dass ich es nur dazu bringe, immer wieder einmal eine Stunde mich irgendwo hin zu setzen, ein Bild zu malen oder einfach in die Gegend zu schauen.
Es gilt Jerusalem zu entdecken. Die Via Dolorosa, die Grabeskirche, Bethlehem. So vieles schon Bekannte – schon Gesehene und doch – es ist Jerusalem, die Stadt, in der Jesus sein Leben vollendet hat und die Stadt seiner Auferstehung. Die einfache Beruehrung des Salbungssteines am Eingang der Grabeskirche macht spuerbar, was auch er gespuert haben kann. Am Montag war ich eingeladen zu einer Heiligen Messe in der Grabeskirche – am Grab Jesu. Ja, es ist Ostermorgen und wir feiern seinen Tod und seine Gegenwart. Er ist mitten unter uns und ruft uns zum Leben.
Und auch das ist Jerusalem: Ein Student bringt uns mit dem Auto nach Bethlehem. Dabei passieren wir zum zweiten mal die “Mauer” mit der sich Israel vor terroristischen Angriffen schuetzt. “Gehen Sie auf dem Rueckweg zu Fuss – das ist eine besondere Erfahrung”, sagte uns noch unserer Fahrer bevor er uns vor der Geburtskirche aussteigen laesst. Die Geburtskirche mit ihrem niederen Eingang laesst sinnhaft erfahren, was Ehrfurcht ist: Wie viele Generationen haben sich schon vor diesem Eingang gebueckt, um dem nahe sein, der zu uns herabgestiegen ist.
Nachdem wir die Kirche besucht und uns beim arabischen Christen mit Andenken versorgt haben, gehen wir zu Fuss zurueck nach Jerusalem. Am Kontrollpunkt sind wir fast allein, denn es ist Mittagszeit. Unwillkuerlich ziehen wir auch hier unsere Koepfe ein, denn wir durchlaufen Gaenge aus Draht und Beton, vorbei an Bewaffneten und an Soldatinnen hinter Panzerglas. Nach 10 Minuten sind wir wieder im Freien und dennoch wie geraedert. Was muss in den Palestinensern vorgehen, die hier taeglich mehrere Stunden verbringen, um zu ihrer Arbeitsstelle zu kommen?
“Wahrscheinlich bist Du heute mit Deinen Erfahrungen und Erlebnissen ein anderer als der, der im März aufgebrochen ist”, schrieb mir ein Freund aus Nuernberg und ich ich hoffe, dass es so ist. Im Moment erscheint mir die Welt aus der ich gekommen bin, fern und klein – doch ich weiss, wie schnell die taeglichen Pflichten wieder mein Leben beherrschen koennen.
Aber das Licht, das wir von so vielen Menschen erfahren haben, die Herzlichkeit von ganz einfachen Menschen, die Kinder, die uns Blumen aus ihrem Garten brachten und Familien, die vor ihrem Haus den Teppich ausrollten um uns zum Tee einzuladen und auch die vielen mutigen Menschen, die uns begegnet sind: Die italienische Familie, die sich in Ostanatolien fuer Fluechtlinge einsetzt, jener Professor, der uns von seienem Traum erzaehlt: „ich moechte von der Tuerkei bis Casablanca zu Fuss gehen“, die junge Frau, die im Caritas-Baby-Hospital – gleich hinter der Mauer – mit jungen Araberinnen arbeitet. ... dieses Licht moechte ich nicht vergessen.
Veröffentlicht: 22.05.2010 Markus Franz