Jericho war unsere letzte Station auf dem Pilgerweg nach Jerusalem. “Ich hoffe, dass Sie irgendwann wieder einmal hierher kommen. Und dass dann endlich Frieden sein moege.” Der Abschiedswunsch des alten Hotelchefs in Jericho klang muede, aber trotzdem aus tiefem Herzen. Seine Worte und sein Gesicht gingen auf der letzten Tagesetappe nach Jerusalem lange mit mir mit. Er muss die ganze Geschichte und Kriegsgeschichte Israels und Palaestinas miterlebt haben im Laufe seines Lebens. Wie ganz Jericho hat sein Hotel einmal bessere Zeiten gesehen, nun waren wir die einzigen Gaeste. Wie der ganzen Stadt haftet seinem Haus eine gewisse Trostlosigkeit an, die in den anderen palaestinensischen Gebieten vermutlich noch staerker ist.
In den knapp zwei Tagesetappen von der jordanischen Seite bis nach Jerusalem werden wir sofort hautnah mit der Situation im Heiligen Land konfrontiert. Ein langwieriger Grenzuebertritt von fast zwei Stunden zehrt an unseren Kraeften: Taxifahrt durchs Grenzgebiet, Bustransfers zwischen den Grenzstationen an der Allenby-Brigde (King Hussein Bridge), Pass- und Gepaeckkontrollen mit Befragungen, Warten neben schwerbewaffneten Sicherheitskraeften. Dabei hatten wir mit unserem syrischen Visum im Pass mit noch mehr Schwierigkeiten an der Grenze gerechnet. Mit einem Bus geht es durch einen weiteren Checkpoint in das nur wenige Kilometer entfernte Jericho, das in palästinensischem Gebiet liegt.
Meine letzte, kurze Nacht auf dem Weg ist unruhig, nicht nur wegen der Schnaken, die uns plagen. Um 4.45 Uhr stehen wir auf, nach Kaffee vom Spirituskocher und Fruehstueck aus dem Rucksack brechen wir um 6.00 Uhr in der Morgenkuehle auf. Brigitte entdeckt am Rand der kleinen Stadt sogar einen Ortsplan, so dass wir sicher sein koennen, den richtigen Weg zu haben. Anstelle eines Checkpoints stehen nur ein paar Betonblocks am Rand der kleinen Bergstrasse. Fast 3 Stunden lang fuehrt sie uns durch das Wadi Quelt, vorbei am Georgskloster, das wie ein Adlerhorst in den Felsen der Wuestenschlucht haengt. Wir schwitzen nicht nur wegen der Hitzewelle (im Jordangraben hatte es 38 Grad im Schatten), sondern auch wegen des Anstiegs: Jericho liegt 250m unter, Jerusalem 800m ueber dem Meeresspiegel.
Fuer einen Teil der anschliessenden Schnellstrasse nach Jerusalem nehmen wir in der Mittagshitze ein Taxi und erreichen schliesslich die Heilige Stadt. Der Oelberg praesentiert uns seinen beruehmten Blick auf die Altstadt. Unter den vielen Touristen hier fuehle ich mich aber irgendwie fehl am Platz. Den Oelberg hinunter laufen wir durch das Loewentor (Stephanstor) in die Altstadt, die Via dolorosa entlang und durch das Jaffator wieder hinaus zum nahen Quartier im sog. „Biblicum“ der Jesuiten hier in Jerusalem. Dank Markus koennen wir nun eine Woche in dem komfortablen, internationalen Haus wohnen. Die Grabeskirche haben wir nach der ersten Nacht hier heute morgen besucht – leider schon um 8 Uhr voller Touristengruppen. Es wird nicht so einfach werden, einen Ort zu finden, wo wir einen inneren Schlusspunkt setzen koennen. Er wird sich in den kommenden 14 Tagen aber sicher finden und fuegen. Erst mal beschraenken wir uns auf Halbtages-Touren in der Stadt und nehmen uns Zeit, die Eindruecke und Erfahrungen der vergangenen 12 Wochen nachklingen zu lassen. In der Woche nach Pfingsten haben wir den Rueckflug gebucht. Zu Hause werden wir dann noch mal einen kleinen Beitrag schreiben, um den Blog hier auf unserer Homepage abzuschliessen.
An dieser Stelle wie schon frueher ein Dank an alle, die uns in dieser Zeit begleitet haben mit Gedanken und Gebeten. Wir sind diesen Weg nicht nur fuer uns gegangen, sondern auch fuer viele mit denen wir verbunden sind, deren Anliegen wir mitgenommen haben, die wir jetzt in den Tagen in Jerusalem noch einmal besonders ins Gebet einschliessen und fuer die wir eine Kerze anzuenden.
Veröffentlicht: 10.05.2010 Wolfgang Zecher